Sir John Noble ist tot - Abschied von einer Dresdner Kamera-Legende
Der frühere Eigentümer der Dresdner Kamera-Werke ist am Sonnabend verstorben.
Text von Annette Binninger
"Ich habe versucht die Freiheit am Horizont zu halten." So beschrieb Sir John Noble noch vor wenigen Tagen in einem Vortrag in Freital seinen Überlebenskampf in den fünfziger Jahren. Zehn Jahre Haft, in sieben Gefängnissen und sieben Arbeitslagern, in Deutschland und Russland. Bis zu seinem Tod hat der Deutschamerikaner oft über diese Zeit gesprochen. "Die Jugend soll wissen, was damals passiert ist", das war ihm wichtig. Mehr noch vielleicht als das, was er mit seinem Dresdner Noble-Werk an Kamerageschichte geschrieben hat.
John Noble starb, wie erst gestern bekannt wurde, bereits am Sonnabend in Dresden im Alter von 84 Jahren an einem Herzinfarkt. In den Armen seiner Frau, Katharina Förster-Noble. Die beiden hatten erst vor zwei Monaten geheiratet.
Über mehrere Jahrzehnte hatte die Familie Noble im Deutschland der Vorkriegszeit für Innovationen in der Kamera-Entwicklung gesorgt. Charles A. Noble, Johns Vater, ein US-Bürger mit deutschen Wurzeln, erwarb 1937 die Dresdner Kamera-Werkstätten Guthe & Thorsch von einem jüdischen Unternehmer. Die erste Spiegelreflex-Kamera, die "Praktiflex" - Vorläuferin der "Praktika" - wurde hier hergestellt.
Doch das Schicksal der Nobles nimmt 1945 eine dramatische Wendung. Der russische Geheimdienst holt Vater und Sohn ab. John Noble verschwindet in sibirischen Arbeitslagern. Seine Eltern erfahren erst Jahre später, dass er noch lebt - durch eine Postkarte, die er herausgeschmuggelt hat. Auf Druck der US-Regierung kommt er 1955 frei. Da ist die Familie längst enteignet. Das Noble-Werk geht kurz darauf im Kombinat "Pentacon" auf.
Politikberater in den USA
John Noble geht in die USA, arbeitet als Wissenschaftler und Politikberater. Unermüdlich erzählt er auch dort die Wahrheit über die Vernichtungsmaschinerie der Gulags. Und wird zum Opfer der DDR-Propaganda: Die Familie soll 1945 aus ihrer Villa die Luftangriffe der Alliierten auf Dresden dirigiert haben, lautet der perfide Vorwurf.
Nach der "Wende" versucht John Noble einen Neustart. Dresden soll wieder Kamera-Hauptstadt der Welt werden. Von der Treuhand kauft er 1991 das Familienunternehmen zurück - ohne die gewinnbringenden Markennamen "Pentacon" und "Practica". Dafür versucht Noble mit der "Noblex" den Markt von Panorama-Kameras zu erobern. Doch finanziell geht ihm die Luft aus. Die Firma geht Ende der 90er Jahre in Insolvenz. Heute läuft sie unter dem Namen Dresdner Kamerawerke.
Zuletzt gibt John Noble die Dresdner Familien-Villa im Nobelviertel "Weißer Hirsch" auf. Sie wird versteigert.
Am Freitag nun wird er in Dresden beigesetzt. Auf dem Friedhof "Weißer Hirsch".
Richtigstellung von Katharina Förster-Noble
Johns Vater erwarb die Kamerawerkstätten Guthe & Thorsch durch Tausch. Guthe war kein Jude und sowieso vorher von Benno Thorsch ausgezahlt worden sodass er bei diesem Geschäft keine Rolle mehr spielte. Thorsch war Schweizer Staatsbärger und Halbjude. Sein Immobilienbesitz in Dresden wurde bis zum Ende des Krieges, also während der NS-Zeit, verwaltet und die Mieteinnahmen wurden ihm auf sein amerikanisches Konto überwiesen. Er war nie verfolgt. Die Kamerawerke Guthe & Thorsch stellten die "Patent-Etuikamera" (Klappkamera), später die Pilot, die Praxidos und die Episkop her. Die Spiegelreflexkamera wurde erst von den Nobles hergestellt und war auch nicht die erste sondern neben der Exakta eine der ersten Spiegelreflexkameras und Vorläufer der Praktika. 1942/43 wurde die Praktica von den Nobles entwickelt - die Pläne lagen sozusagen in der Schublade. Zur Produktion kam es nicht da zu Kriegszeiten das Material fehlte und mit Ende des Krieges Vater und Sohn verschleppt wurden.
1990 kommt John nach Dresden zurück und stellt Restitutionsanspruch auf das Familienunternehmen und das Warenzeichen Praktica. Die Treuhand verhält sich rechtswidrig und verkauft das Warenzeichen Praktica an einen Dritten.
Nach der Entwicklung einer Sicherheitskamera neben der Noblex verweigert die Hausbank 1997 den Kredit zur Produktion und nötigt John zum Verkauf der Firma. Die Firma geht nicht in Insolvenz sondern wird verkauft.
John und ich finden uns, wir bauen einen neue Zukunft. Wir verkaufen die Villa San Remo und mein kleines Häuschen in Bühlau und schaffen uns ein neues gemeinsames Zuhause auf der Heubnerstraße. Die Villa kam nie zur Versteigerung.
Persönliche Anmerkung
John Noble hat sein ganzes Leben in den Dienst der Aufklärung gestellt. Er hat nicht verdient, dass selbst nach seinem Tod und nach Erscheinen seines Buches immer wieder falsche Darstellungen in die Öffentlichkeit getragen werden und nie eine seriöse Recherche der Presse stattfindet. Größte Sorge macht, dass so Geschichtsverfälschungen generell, insbesondere in der Literatur, nie ein Ende finden werden. Das tut sehr weh.